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Ablasshandel 2011

Jene Anwalts­kanzlei, welche die Veröffentlichung der Namen wegen illegalem Download von Pornos Beklagter androhte [Artikel], versteigerte 2011 eine ähnliche Namensliste. Inhalt der Liste waren unbezahlte Forderungen, Meist­bietender soll ein Inkassobüro sein.

Wer will € 90 Millionen?

Insgesamt soll es sich um 72 000 Abmahnungen wegen File­sharing handeln; pro Person werden € 1 286.80 gerechnet [Gesamtsumme € 90 076 000] . Damit soll der entstandene Schaden, Anwalts­kosten etc. gedeckt sein.

Es handelt sich überwiegend um Forderungen aus Urheberrechts­verletzungen im Internet aus dem Bereich "adult entertainment"
[Quelle]

"Adult Entertainment" übersetze ich hier frei mit: Porno, Sexfilm, Beischlaf-­Dokumentationen, was­auch­immer…

Porno und Popcorn

So wie ich mir die Welt vorstelle, dürfte die Gewinn­spanne eines Pornos das x-fache dessen eines Hollywood Produkts sein. Wobei die Porno­grafie zusätzlich die Möglichkeit hat, Material wieder und wieder und wieder zu verwerten, ohne dass das Publikum ausbleibt. Eine ähnliche Gewinn­spanne eines Produktes, vom Roh­material zum fertigen Endprodukt inklusive aller Produktions­schritte und -kosten kann ich mir nur bei Popcorn vorstellen.

Eine Milchmädchenrechnung
  • Gesamtsumme € 90 076 000
  • gleichmäßig auf 72 000 Abmahnungen verteilt
  • ergibt € 1 286.80 pro Nase für "illegalen" Datenaustausch
  • bei á € 15 pro DVD Verlust für die Kläger
  • durchschnittlich 85,7 DVDs pro Nase
  • 0,7. DVD = Bonusmaterial?

Durch Auf- und Abrundung ergibt sich ein Rest von € 57 600 – die Kosten und Honorare der Kanzlei sollten damit annähernd gedeckt sein.

Des Pornoprangers" Fundament

Worauf ich hinaus will: die Summen sind wahrscheinlich keine Jahres­umsätze. Wem so eine Forderung ins Haus fliegt, steht vor der Wahl: zahlen oder vor Gericht ausfechten, dass entsprechende Titel ganz bestimmt nicht illegal über das Internet bezogen wurden. Wer den juristisch längeren Atem wird sich in solchen Fällen zeigen.

Wie auch immer: Es ging auch in diesem Fall um sehr viel Geld. Die Kanzlei trat betont "nur als Vermittler, und nicht als Verkäufer der Forderungen " auftrat [Quelle]. Hierfür müssten die offenen € 90 Millionen ihren Mandanten bereits in Rechnung gestellt worden sein.

Verschwiegenheit, bitte!

Die Distanzierung der Kanzlei von Klagsumme wie Zusammenhang [Pornos! Gott­verdammich!!!] ging so weit, dass von Bietern erst eine Kaution von € 5.000 Euro sowie Unterzeichnung einer Verschwiegenheits­erklärung verlangt wurde. Erst danach wären Details zu erfahren. [Quelle].

Im Weblog des Juristen Thomas Stadler findet sich ein Artikel zur Versteigerung – und ein Hinweis auf die Firma DigiProtect. Diese beteuert auf Ihrer Webseite in Großbuchstaben, dass sie Musik liebe; die Firma. Auf folgender Seite wird ein Für und Wider zum Thema Filesharing dargelegt, und wie dies mit der Existenz­sicherung Kreativer zusammenhält. Abschließend kommt man zu dem Fazit:

Wer Musik liebt, der gibt dem Gedanken eine Chance, für seine Musik ganz einfach zu bezahlen.

In der Praxis verhilft sie besagtem Gedanken über eine Rechtsanwaltskanzlei und Abmahnungen zu mehr Chancengleichheit. Dieser Artikel diskutiert das breiter. Was dies mit Porno zu tun hat?

In diesem Fall werden die heißen Kartoffeln an die oben besprochene Kanzlei Urmann+Collegen weitergereicht [Quelle].

Schuldnerdaten versteigert an

Den Meistbietenden; in diesem Fall dürfte es sich um den Inkassodienstleister Debcon Debitorenmanagement und Consulting für Immobilienfinanzierer GmbH [Website] aus Witten, Deutschland handeln.

In diesen Artikeln [Artikel 1, Artikel 2, Artikel 3 als auch Artikel 4, …] finden sich Schilderungen von Schreiben der Firma Debcon an Personen, welche zuvor von der Kanzlei Urmann+Collegen beklagt worden sind.

Die Firma Debcon stellt sich auf ihrer Homepage vor:

Die Palette der von uns angebotenen Dienst­leistungen deckt das gesamte Spektrum der Bearbeitung notleidenden Immobilien­finanzierungen ab … Bearbeitung zahlungs­gestörter Immobilien­finanzierungen.
[Zitiert aus dem Volltexts, abgerufen am 11. September 2012.
Hervorhebungen durch den Autor dieses Blogeintrags]

Unter "Leistungsspektrum" Unterpunkt "Debitorenmanagement" findet sich dann [auszugsweise] folgender Text:

Wir verstehen uns nicht als reiner Inkasso­dienstleister. Vielmehr steht das Beraten und Heben der mit einer notleidenden Immobilien­finanzierung verknüpften Werte im Vordergrund.
[Zitiert aus dem Volltext, abgerufen am 11. September 2012.
Hervorhebungen durch den Autor dieses Blogeintrags]

­

Inhalt sowie Wortwahl waren mir die Wiedergabe an dieser Stelle wert. Zudem: es heißt Not leidenden, nicht notleidenden [Quelle].

Dürfen die denn das?

Ein Anwalt welcher nicht aus jener Kanzlei, welche die Daten versteigerte:

Den Filesharing-Abmahnungen lagen oft strafrechtliche Ermittlungsverfahren oder zivilrechtliche Auskunftsansprüche zugrunde. Es wird im Einzelfall nicht unproblematisch sein, diese sensiblen Daten an Dritte weiterzugeben, um sie dann in möglichen Gerichtsverfahren einzusetzen
[Quelle]

Dazu die Kanzlei, welche die Daten versteigerte:

Die Versteigerung von Forderungen bewegt sich vollumfänglich im rechtlichen Rahmen. Die Rechtmäßigkeit der zu versteigernden Forderungen ergibt sich aus den entsprechenden Beschlüssen, die die jeweils beteiligten Landgerichte erlassen haben
[Quelle]

Ein hörenswertes Interview mit dem Anwalt Udo Vetter [lawblog.de] dazu, ob der Verkauf von Mahnungen erlaubt ist, findet sich über diesen Link [direkter .mp3 Download] von dieser Quelle.

In diesem Artikel wird die rechtliche Grundlage eines solchen Verkaufs diskutiert.

ein persönliches Schlusswort

Da ich weder Jurist bin noch durch Vermutungen falsche Hoffnungen wecken will verweise ich auf diverse Kanzleien und Plattformen, welche sich mit der professionellen Abweisung von Abmahnungen auseinandersetzen. Sollte jemand eine solche Abmahnung zugestellt worden sein: alles Gute! Ansonsten: Ich kann und will hier für Nichts ung Niemand Werbung machen. Sorry, Leute. Und alles Gute!