Skip to content

Prügel vom lieben Gott, Strafen für Journalisten

Um die volle Leistungsfähigkeit eines Bischoffs und eines General­vikars garantieren zu können fliegt man auch schon mal 1st Class zur Besichtigung sozialer Einrichtungen. Fürs allzu genaue Nach­fragen gibts ein einstweilige Verfügung und Geldstrafe. Obwohl dem Reise­begleiter auch noch Fragen gestellt werden könnten.


Prof. Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst, Bischof von Limburg [Bildquelle]

Maria Katharina Kasper, Gründerin der »Kongregation der Armen Dienst­mägde Jesu Christi«, wurde 1978 seliggesprochen, womit der erste Schritt zur Heiligsprechung erreicht wird.

»Wichtigste Voraussetzung für eine Heiligsprechung ist ein auf Fürbitte der seligen Mutter Katharina Kasper gewirktes Wunder, welches von medi­zin­ischen Fach­leuten geprüft werden muss und von diesen für unerklärlich be­funden wird […]. Da ein solches Wunder bislang nicht bekannt ist, gilt es jetzt um ein Wunder zu beten
[Aus einem Interview mit dem Limburger Bischof]

Die von Schwester Kasper gegründete Gemeinschaft unterhält in der ganzen Welt Ableger; so auch in Indien. Dort wollte man Kindern helfen, »die in Stein­brüchen tätig sind« [Quelle].

»…ich [habe] soziale Projekte besucht, mir ging es doch darum, etwas gegen die Not und das Elend der Menschen zu machen, etwas für die ärmsten der Armen«
Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst zu seiner Reise [Quelle].

Eine genaue Darstellung des Aufenthalts samt Zeitplan findet sich in dieser Meldung des Bistums Limburg.

Wie Auslandsreisen bei Politkern werden diese auch bei Kirchenmännern in den entsprechenden Medien abgehandelt. In diesem Fall lief dies etwas stiller ab. Was dann den medialen Rummel, einige Anwaltsschreiben und eine saftige Abmahnung hervorrief: zwei Flugtickets in der First Class für einen Besuch karitativer Einrichtungen.

Erratum: »… man flog [nicht] Fist Class «

»Der Spiegel« fragte an, wie denn so gewesen sein soll: mit der ersten Klasse zu fliegen, um Die Armen Dienstmägde Jesu Christi und deren Sozialprojekte zu besuchen. Schließlich ging es um eine Heiligsprechung.

»Nein, wir sind nicht erster Klasse geflogen, sondern Business-Klasse!«
[Bischof Tebartz-van Elst ]

Dies wurde über die Pressestelle nochmals nachgefragt. Als Antwort kam eine zehnseitige Antwort über eine Anwaltskanzlei: die Aussage, » Herr Bischof Dr. Tebartz-van Elst ist erste Klasse mit dem Flugzeug nach Indien geflogen«, dürfe so nicht in der öffentlichkeit verbreitet werden. Der Mandant sei Economy Class geflogen. Als Abmahnung seien € 1.890,91 zu bezahlen [Quelle].

Das Wunder ist da

Am Tag darauf wurde über die Anwaltskanzlei verkündet: man sei doch erste Klasse geflogen – der mitreisende Generalvikar Franz Josef Kaspar habe aus privater Tasche durch gesammelte Bonus­meilen das Upgrade von Economy auf First Class durch Bonusmeilen ermöglicht.

»Das privat bezahlte Upgrade auf die höchste Beförderungsklasse diente demnach aus­schließlich dem Erhalt der Leistungsfähigkeit beider Reisender«
[Quelle]

Um die volle Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten, wurde auch für den Rück­flug First Class genommen – was wiederum Generalvikar Kasper ermöglichte [Quelle].


[Generalvikar Kaspar, Vielflieger  ⁄  Bildquelle]

Das Wunder ist weg

Ein Schelm, wer dabei böses denkt. Der Bischof hatte kein falsches Zeugnis abgelegt, auch nicht gegen seinen Nächsten. Und damit das allgemein klar ist, wurde mit 17. September wurde dann eine einstweilige Verfügung gegen »Der Spiegel« erlassen: dem Magazin wird untersagt, zu behaupten, der Bischof von Limburg habe im Zusammenhang mit seinem Flug zu sozialen Projekten nach Indien nicht die Wahrheit gesagt. Dieser Eindruck wurde durch die Berichterstattung erweckt, und das sei zu unterlassen [Aussendung des Bistums].

Generell sei dem Magazin bekannt gewesen, dass es durch seine Berichterstattung gegen das achte Verbot verstoße [Du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten]. Sünde Sünde Sünde! Gottlob half ein weltliches Gericht in Hamburg gegen die Schmähung der Medien [Meldung des Bistums].

Hl. Barbara und der Streisand-Effekt


[Generalvikar Kasper [rechts], Bischof Tebartz-van Elst [Mitte]  ⁄  Bildquelle]

Die heilige Barbara ist Schutzpatronin der Meinungsfreiheit. Ihre Namensverwandte Barbara Streisand dagegen machte sich anheischig, die Pressefreiheit zurechtzuweisen: der Schuss ging nach hinten los [Streisand-Effekt“]. Bei der Recherche zu diesem Artikel fand ich folgendes über den Mitreisenden:

Prügel vom lieben Gott und ein Prozess wegen üble Nachrede

Der jetzige Generalvikar Kasper war zuvor Stiftungsdirektor des Sonder­pädagogischen Anstalt St. Vincenzstift in Rüdesheim-Aulhausen, Deutsch­land. Unter dessen Vorgänger Rudolf Müller kam es zu sexuellen übergriffen, teilweise zu Vergewaltigungen während der Beichtsituation. Es kursierte eine Unterschriftenliste gegen den Leiter, dieser beging 1970 Selbstmord.

1981 wurde gegen Alexander Markus Homes, einen ehemaligen Heim­bewohner wegen Verleumdung und übler Nachrede juristisch vor­gegangen. Dieser hatte in seinem Buch »Prügel vom lieben Gott« von sexuellen übergriffen, Vertuschung und Brutalität gegenüber den Heimkindern durch das Personal berichtet. Auf Basis des Buches entstand die ZDF Fernseh-Dokumentation »Betroffen: Die verlorene Kindheit des Alexander H.«. Deren Ausstrahlung wurde ebenfalls angefochten, schließlich lief die Dokumentation doch noch [Quelle].

»Das ist nicht die Schwester, die das macht, oder der Pfarrer, der das macht, sondern, das ist der liebe Gott, der euch immer beobachtet. Und der dann diese Bestrafung verlangt. Wir sind nur die, die sie durchführen«
[Quelle]

Der Prozess gegen das Buch endete mit einem Vergleich, im welchem sich der Autor dazu verpflichten musste, das Buch »nicht [als] Dokumentation, sondern literarisch verarbeitet und verfremdet« herauszubringen. Zwar bestätigten Zeugen die Aussagen des Autors, wegen Verjährung konnten die Erzieher jedoch nicht weiter belangt werden [Quelle]. Ein längeres Interview mit dem Autor findet sich über diesen Link, ein Artikel des Spiegels aus dem Jahr 1981 findet sich über diese Link

Auf der Seite der Heimbetreiber, der Kirche, sowie dem Stiftungsdirektor und jetzigem Generalvikar und Vielflieger Franz Josef Kaspar sah man die Sache nicht so, ganz im Gegenteil: da bis zum Ende seiner Dienstzeit [2006] keine entsprechenden Vorwürfe laut geworden seien, können die Anschuldigungen nicht stimmen [Meldung des Bistums].

2006 wurde durch dann auf dem Gelände der sonderpädagogischen Anstalt in Würdigung um die Verdienste seines Vorgängers das Rudolf-Müller Haus eröffnet.

Diesem Artikel zufolge liegen seit 2010 interne Ermittlungsberichte vor, wonach es » keine Zweifel an den Missbrauchshandlungen durch Müller« [Quelle] gebe.

»[…] wurden an betroffene ehemalige Bewohnerinnen und Bewohner des St. Vincenzstiftes Aulhausen materielle Leistungen „in Anerkennung ihres Leids“ ausgezahlt. […] es wird damit jedoch nicht ein „Schweigegeld“ gezahlt«
[Aussendung des Bistums Limburg]

Die Sache mit dem Schweigegeld, das keines ist oder doch oder wie wurde in einem anderen Bistum in diesem Artikel bereits ausführlich behandelt.