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Viehschlachtung & Menschenrechte

Unterbringungsmöglichkeiten für Asylwerber in Österreich, am Beispiel zweier inzwischen geschlossener Heime oder: Wenn opportun steht Tier- über Menschenrecht

Der Ende März vom Menschenrechtsbeirat vorgelegte Bericht »Missstandsfeststellung und Empfehlung des Kollegiums der Volksanwaltschaft« ging Beschwerden über menschenunwürdige Lebensbedingungen für Aslywerber in Kärnten nach. Sofern nicht anders angegeben wurden die im Beitrags verwendeten Zitate diesem Bericht entnommen.

»Die Saualm«

Das medial etablierte Markenzeichen »Die Saualm« bezeichnet ein ehemaliges Kloster, welches zuletzt als Wohnheim für Asylwerber umgewidmet wurde. Die, wenn auch irreführend, griffige Bezeichnung »Sonderstrafanstalt« ist insofern falsch, als dass dort Asylwerber untergebracht werden sollten, welchen Straffälligkeit angelastet wurden. Wahr hingegen ist, dass die Volksanwaltschschaft

[…] nicht feststellen [konnte], dass die untergebrachten Asylwerber im Verdacht standen, eine Straftat begangen zu haben […]. Definitiv feststellen konnte die Volksanwaltschaft […] dass auf der Saualm Fremde untergebracht waren, die direkt aus Traiskirchen hier hin verlegt wurden, ohne dass sie sich einer Straftat auch nur verdächtig gemacht hätten
[ Bericht Seite 5 ]

RegionlbetreuerInnen

Das Projektkonzept »Sonderbetreuung für straffällige gewordene Asylwerber im Rahmen der Grundversorgung« des Landes Kärnten sah vor, dass »Sozialarbeiterinnen, Psychologinnen bzw. Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten die Asylwerber […] betreuen sollten« Die Umsetzung erfolgte durch »RegionalbetreuerInnen«: Diese wurden durch eine Personalleasingfirma angeheuert und in ihrer Arbeit weisungsgebunden dem Land Kärnten unterstellt, somit direkt dem Betreiber der Heime. Der für die Auswahlverfahren Verantwortliche ging während der Ermittlungen der Volksanwaltschaft überraschend [ Quelle ] in Pension. Auch enge Mitarbeiter können keine genauen Ausküfte geben und

Trotz Aufforderung weigerte sich die Kärntner Landesregierung explizit, die Lebensläufe der in der Regionalbetreuung Beschäftigten der Volksanwaltschaft vorzulegen. […] Laut Darstellung des Landes Kärnten seien einige der Personen angeblich Studentinnen der Pädagogik, Rechtswissenschaften, Germanistik oder Psychologie. Eine nicht konkretisierte Anzahl hätte auch bereits ein Studium angeblich abgschlossen. Um welche universitäre Ausbildung es sich dabei handle, wurde vom Amt der Landesregierung aber nicht mitgeteilt.
[ Bericht Seite 7 ]

»Hart, Härter, Herta Lechner«

So die Pointe eines Witzes über sich selbst, den die Betreiberin des Heimes in einem Interview über zum Besten gab. Der Selbe Zuständige, welcher das Wissen um die Auwahlkriterien für Regionalbetreuer mit in den Ruhestand nahm, warb sie, die bereits seit 1991 »im Asylgeschäft tätig« war [ Quelle ] als Heimleiterin an:

»Ich hab ein gutes Geschäft darin gesehen und das Haus gekauft. Das Land wollte ja nix mehr investieren.«
[ aus einem Interview mit Herta Lechner ]

Neben den Vorwürfen von Asylwerbern, Unterstützungswilligen wie dem Dorfpfarrer etc. etc, oder: Da Taten mehr als Worte sprechen, wiederum ein Auszug aus dem Bericht:

Die Betreiberin gab selbst zu, Schafe, Ziegen und Hühner in Eigenregie, illegal geschlachtet zu haben und dieses Fleisch ohne jegliche Kontrolle an Asylwerber zur Verpflegung abgegeben zu haben.
[ Bericht Seite 15 ]

Einer im Bericht zitierten E-Mail geht hervor, dass

[…] dass alle Regionalbetreuerinnen sich weigern würden, mit Frau Lechner zu arbeiten, weil eine konstruktive Kommunikation mit ihr nicht möglich sei […] die hygienischen Verhältnisse, die mangelhafte Verpflegung (Asylwerber seien stets hungrig) sowie die Beurteilung durch Frau Lechner, ob Krankentransporte notwendig seien, nicht mehr verantwortbar [seien].
[ Bericht Seite 10 ]

[ Bildschirmfoto eines Leserkommentars auf krone.at zum Bericht des Menschenrechtsbeirates ⁄
Bildquelle ]

Ärztliche Versorgung, Essen & Hygiene [?]

Das Heim liegt gut 13 Kilometer von der nächsten Siedlungen entfernt in einem Wald. Das Amt der Kärnter Landesregierung vereinbarte

»[…] im Einvernehmen mit dem Roten Kreuz […] dass die Rettung nur im akuten Notfall durch die Basisbetreuung bzw. durch Organe des privaten Sicherheitsdienstes (jeweils 24-Stunden Anwesenheit) verst’ändigt werde« Das bedeutet, dass es nicht in der Macht der AW lag, die Rettung zu verst’ändigen und sie vielmehr von Frau Lechner, dem Sicherheitsdienst oder den Regionalbetreuerinnen abhängig waren
[ Bericht Seite 13 ]

Soweit aus dem Bericht ersichtlich gab es direkt vor Ort kein medizinisches Personal. Die Versorgung, Bevorratung und korrekte Verabreichung von Medikamenten ist nicht restlos geklärt.

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[…] es zwar die Möglichkeit für Krankentransporte gab, diese allerdings von der Zustimmung der Geschäftsführerin der Betreiberin abhängig waren. Es kam auch vor, dass Aslywerber trotz eines Termins nicht zum Arzt fahren konnten, weil Frau Lechner dies verboten hatte
[ Bericht Seite 14 ]

Die Abschnitte Hygiene und Verpflegung [Seite 14 und 15 des Berichts] sind ebenfalls der Lektüre wert. An Widerwärtigkeit wird das bis hierher zitierte teilweise überboten


[ Bildschirmfoto eines Leserkommentars auf diepresse.com zum Bericht des Menschenrechtsbeirates ⁄
Bildquelle ]

Die Pension in Vernberk [Wernberg]

Die Unterbringung in einer Pension in Vernberk [Wernberg] war ebenfalls Gegenstand der Ermittlungen. Den Beschwerden nachgehend wurde Ende Juli 2012 ein Lokalaugenschein durch die Gemeinde Wernberg, das Gesundheitsamt Villach sowie einen Bau- und einen elektrotechnischen Sachverständigen abgehalten

  • Freiliegenden Elektrofassungen
  • Sämtliche Sanitäranlagen waren in einem so schlechten Zustand, dass sie mit unverzüglicher Wirkung stillgelegt werden müssen

Auch Stützen für Zimmerdecken waren angebracht, um offenbar die Einsturzgefahr zu minimieren
[ Bericht Seite 17 ]

Tatsächlich gab es einen Wasserrohrbruch im November 2011, deswegen die Stützen. Die Behebung des Schadens war somit gut 7 Monate später, Ende Juli 2012 noch nicht begonnen worden.

Diese Einrichtung wurde – trotz der evidenten Sicherheitsmängel sowie Gesundheitsgefährdung – erst am 4.1.2013 gewerbebehördlich geschlossen.
[ Bericht Seite 18 ]

[ Bildschirmfote eines Leserkommentar auf krone.at zum Bericht des Menschenrechtsbeirates ⁄
Bildquelle ]

»Tierleid« geht vor Menschenrechte

Im Oktober 2012 wurde der Vertrag zwischen dem Land Kärnten und der Betreiberin des Asylwerberheim Wölfnitz [»Die Saualpe«] aufgekündigt, die Anstalt selbst für Renovierungsarbeiten geschlossen. Grund? Gründe? Die Korruptionsanwaltschaft ermittle wegen Überförderung [ Quelle ] ist eine der weniger polplären Begründungen.

Argumentativer Herzensstürmer ist: »angebliche Schächtungen« auf der Saualpe. Nicht dass die Besitzerin zugab, selbst [Tiere] zu schlachten und ohne tierärztliche Kontrolle diese für den menschlichen Verzehr freigebe, sondern das angebliche Schlachten nach religiösem Ritus, welcher in Österreich legal ist. Zwar ist der Staatsanwaltschaft dieser Vorwurf nicht bekannt und [soweit recherchierbar] nicht Gegenstand von Ermittlungen.

Die Unterbringung von Menschen unter den beschriebenen Bedingungen sowie die sich als Wahrheit bestätigten Vorwürfe, – dies alles hat weniger Gewicht als die angebliche Abhaltung eines religiösen Rituals bei der Tötung von Tieren.

Die Instrumentalisierung von Tierschutz als Heiligenschein um sich aus der Geschichte zu ziehen ist ein Stückerl aus dem sich lernen ließe.