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Der Pornopranger

Eine deutsche Anwaltskanzlei drohte mit 1. September 2012 die Namen von bis zu 150.000 mutmaßlichen Urheberrechts­verletzern zu veröffentlichen.

Die Regensburger Rechtsanwaltskanzlei Urmann + Collegen [U+C] ist seit Jahren mit der Abmahnung von Tauschbörsen­nutzer beschäftigt. Üblich soll die Einforderung eines Pauschalbetrags von € 650 sein. Wird nicht bezahlt so wird die Forderung auf € 1286.80 erhöht [quelle]. Damit sollen allfällige Schadens­ersatz­ansprüche, Anwaltsgebühren und andere Aufwendungen gedeckt werden.

Bewusste Urheberrechtsverletzungen

Die Kanzlei ist "vor allem für die Abmahnung wegen des illegalen Downloads pornografischer Filme bekannt"
[Quelle]

Zu den Mandanten der Kanzlei gehören laut Süddeutscher Zeitung [Artikel] Firmen wie Magmafilm, Purzel-Video und Videorama. Der Jahresumsatz von Videorama soll bei jährlich ≈ € 40 Million liegen [Quelle]; Magma Film konnte sich seit rund 15 Jahren im Geschäft halten [Quelle].

Meine Lesart ist die, dass genannte Firmen eher nicht zu den kleinen kreativen Firmen gehören, deren Existenz­sicherung von der vehementen Durchsetzung von Urheberrechts­ansprüchen abhängig ist. So zumindest ein gerne verwendetes Argument für Abmahnungen.

Existenzsicherung durch Urheberrechtsansprüche

Auf der Website der Kanzlei findet sich unter Antipiracy folgenes:

Viele Straftaten des 21. Jahrhunderts finden im Internet statt. … Gerade auch für kleinere kreative Firmen stellt die Verletzung ihrer Urheberrechte bzw. die kostenfreie illegale Verbreitung ihrer Werke ein existenzbedrohendes wirtschaftliches Problem dar. …

Dabei entwickeln nur die wenigsten Täter ein Unrechts­bewusstsein

[Anm.: Hervorhebungen durch den Autor dieses Blogeintrags!]
Zitiert aus dem Volltext, abgerufen am 10. September 2012

 

Was trotz allen Argumenten bleibt ist die Androhung, eine Namensliste von Personen zu veröffentlichen, welchen illegales Herunterholen von Pornos aus dem Internet zulasten gelegt wird.
Die Beweisführung, welche Person zu welcher Zeit welche Daten auf einen Rechner lud ist – meinem Wissen zufolge – sehr aufwendig. Im Wortlaut der Kanzlei liest sich dies wie folgt:

In einem großen Teil der uns anvertrauten Mandate erzielen wir vergleichsweise Einigungen. Im Interesse unserer Mandanten ist dies häufig sinnvoller als der Gang durch die Gerichtsinstanzen. Ist es jedoch erforderlich, scheuen wir den Kampf ums Recht vor den Gerichten nicht
[quelle]

Wobei die Ankündigung der Veröffentlichung von Namen wahrscheinlich hilfreich ist. Was kann in so einer Liste stehen? Möglich ist viel – und diese Unsicherheit verstärkt das Druckmittel.

Schadensmaximierung

Wie wollen Betroffene nachweisen, dass ihr Name nur zufällig der gleiche, wie einem auf der Liste ist? Wem wird in so einem Fall eher Glauben geschenkt: einer Anwaltskanzlei oder einer einzelnen Person? Wie lange würde sich die Liste im Internet halten? Jede im Internet freigesetzte Information ist nahezu unmöglich wieder löschbar.

Neben Privatpersonen sollen darauf auch Pfarrämter, Polizeistationen und sogar Botschaften arabischer Länder auftauchen. [Quelle]

auf mi steht kane, ja kruzifix – Was soll i machen – i wix, sonst nix
[Georg Danzer: "Der legendäre Wixerblues"]

Dürfen die das überhaupt?

Njain – Folgende von Juristen verfassten Artikel behandeln die Ankündigung:

  • Planen Anwälte einen Pranger für Filesharer? [law blog ]
  • Der Filesharing-Pranger [Internet-Law]
  • Filesharing-Abmahnungen: Kanzlei U+C möchte "Gegnerliste" veröffentlichen [Kanzlei Ferner]
  • Initiative Abmahnwahn
    • U+C kündigen Veröffentlichung einer Gegnerliste an [Artikel]
    • Ergänzung zum obigen Eintrag [Artikel]

einstweilige Anordnung

Am 31. August 2012 wurde über das Landesgericht Essen den Anwälten Urmann & Collegen mit einer einstweiligen Anordnung verboten, den Namen und die Adresse einer Abgemahnten zu veröffentlichen.

Stellungnahme der Kanzlei U+C:

U+C wurde keinerlei rechtliches Gehör in dem Verfahren gewährt. Die Ausführungen der Anordnung teilen wir nicht und halten sie für tatsächlich und rechtlich falsch
[Quelle abgerufen am 10. September 2012]

Gegen die Verfügung kann Einspruch erhoben werden; bis zur Klärung darf die Liste nicht veröffentlicht werden.
Hoffen wir, dass sie nicht zufällig ins Netz entschlüpft.